- 10.01.2010, 09:02:24
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"Alte Rollenbilder belasten heutige Beziehungen"
Geschlechterforscher Lehner bei Salzburger Pastoraltagung: Unausgewogene Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau bei Haushalt und Kinderbetreuung ist "Beziehungskiller Nummer eins"
Salzburg, 09.01.2010 (KAP) Die nach wie vor unausgewogene
Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau bei Haushalt und
Kinderbetreuung ist Hauptgrund für die Unzufriedenheit in
Paarbeziehungen und sogar "Beziehungskiller Nummer eins": Darauf
wies der Wiener Theologe, Psychotherapeut und Geschlechterforscher
Erich Lehner am Schlusstag der diesjährigen Pastoraltagung zum Thema
"Beziehung leben zwischen Ideal und Wirklichkeit" im Salzburger
Bildungszentrum St. Virgil hin. Der Kärntner Bischof Alois Schwarz
plädierte für eine "differenzierte Evangelisierung der Familien" sei
das, "was jetzt vor uns liegt". Die Kirche solle helfen, dass Paare
ihr Eheleben in Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und gegenseitiger
Wertschätzung gestalten.
Das überkommene Beziehungsmodell, wonach der Mann Familienernährer,
seine Partnerin Hausfrau und "Teilzeitzuarbeiterin" ist, sei nach
wie vor "eingegraben in gesellschaftliche Strukturen" und enge
individuelle Lebensgestaltungsmöglichkeiten stark ein, so Lehner.
Diese Strukturen gelte es in Gesellschaft und Kirche zu überwinden,
um Beziehungen leichter glücken zu lassen.
Als veränderungshemmend zeigte der an der Universität Klagenfurt
lehrende Geschlechterforscher etwa die vorfindliche Arbeitswelt auf,
die von "verfügbaren Männern" ausgehe; ähnlich hemme, dass im
Bereich der Bildung das Üben der Schulkinder in den familiären
Bereich verwiesen werde, aber auch ein traditionelles Mutterbild,
das die alleinige Versorgung der Kleinkinder durch die Mutter als
entscheidend für deren gesunde Entwicklung postuliere. Studien
würden demgegenüber klar aufzeigen, dass die zusätzliche Präsenz des
Vaters den Start eines Kindes ins Leben deutlich erleichtere. Wenn
Mutter, Vater und Kind eine Dreiecksbeziehung ("Triade") ermöglicht
werde, erlangten die Kinder eine höhere kognitive und soziale
Kompetenz, erklärte Lehner.
"Halbe-Halbe" ist sehr selten
Der Wissenschaftler zeigte anhand aktueller Studien auf, dass in
Österreich partnerschaftlich gestaltete Beziehungen im Sinne von
"halbe-halbe" eine "extrem seltene" Lebensform darstellen. Die zwei
Millionen österreichischen Paare teilen sich die Hausarbeit im
Durchschnitt wie folgt auf: Bei 57 Prozent der Paare ist allein die
Frau zuständig, bei 28 Prozent sind es beide Partner, in zwölf
Prozent hilft der Frau eine dritte Person. Auch wenn beide Partner
voll berufstätig sind, ändert sich diese Verteilung nur unwesentlich
zugunsten der Frauen. Im Blick auf die Kinderbetreuung ist in 36
Prozent der Paare die Mutter alleinverantwortlich, 54 Prozent teilen
sich die Verantwortung - wobei Väter mehr spielen als sich um den
Haushalt zu kümmern. Ein "eklatantes Ungleichgewicht" ortete Lehner
im Blick auf innerfamiliäre Pflege, die fast ausschließlich den
Frauen obliege.
Von den Frauen geäußerte Unzufriedenheit mit dieser
Aufgabenverteilung würden von ihren männlichen Partnern oft so lange
"überhört", bis die Frauen nur mehr in einer Trennung die Chance auf
Verbesserung sehen. "Die Männer sind oft erst dann
veränderungsbereit, wenn es schon zu spät ist", sagte Lehner. Für
das Gelingen von Partnerschaften seien Status, Sexappeal und sogar
Liebe weniger wichtig als Kompetenz bei der Konfliktlösungen und
Stressbewältigung.
Dabei sagen die Österreicherinnen und Österreicher grundsätzlich ein
klares Ja zu Beziehungen: 95 Prozent sehen in einer stabilen
Zweierbeziehung die ideale Lebensform, 83 Prozent habe eine
lebenslange Bindung als Ziel, 80 Prozent der 30-Jährigen wollen
Kinder. Damit diese kontinuierliche Sehnsucht nach Bindung auch
bestmöglich realisiert werden kann, gelte es freilich entsprechende
Rahmenbedingungen zu schaffen, so Lehner.
Der Kirche könnte dabei eine wichtige Bedeutung zukommen, würde sie
sich als "nicht wertender Raum der Kommunikation" darstellen, in dem
sich Menschen über das Ge- und auch Misslingende in ihren
Beziehungen austauschen könnten. Lehner würde sich - wie er sagte -
eine Entwicklung von einer "habituell lehrenden" zu einer "hörenden"
Kirche wünschen, die Gottes Barmherzigkeit erfahrbar macht.
"Kirche muss befreiende Botschaft formulieren"
Angesichts der heutigen großen Beziehungsvielfalt stelle sich die
Frage, wie die Kirche ihre Vorstellungen über geglücktes Leben in
Ehe und Familie so formulieren kann, dass dies die Menschen als
bereichernd erfahren, sagte der Kärntner Bischof Alois Schwarz, der
in der Bischofskonferenz für das die Pastoraltagung veranstaltende
ÖPI (Österreichisches Pastoralinstitut) zuständig ist, in einer
Bilanz über die Tagung. Kirche habe ja "ein Programm, dass sehr viel
zu Liebe und Leben zu sagen hat". Christen glaubten letztlich an
einen in "communio" (Gemeinschaft) lebenden, dreieinigen Gott, der
Menschen in seine befreiende Wirklichkeit hineinführen möchte - und
zwar nicht als einzelne, sondern als Gemeinschaft, wie Schwarz
betonte.
Eine "ganz differenzierte Evangelisierung der Familien" sei das,
"was jetzt vor uns liegt". Es gelte Ehepaare auch zu fragen, wie sie
ihre spezifische Spiritualität gestalten, sodass daraus eine
Ermutigung zum christlichen Familienmodell entsteht, hofft der
Gurker Bischof. Die Kirche solle auch dazu ermutigen, dass Paare ihr
Eheleben in Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und gegenseitiger
Wertschätzung gestalten. Als wichtig erachtet es Schwarz, die
Auswirkungen verschiedener Beziehungsmodelle auf die Kinder genau zu
analysieren. Die Kirche habe mit dem 4. Gebot einen Anstoß zur
"Nachhaltigkeit" gelingender Beziehungen zwischen den Generationen.
(ende)
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